Warum die Welt mehr Meditationslehrer:innen braucht
Jeder scheint heute Yogalehrer:in zu sein oder werden zu wollen. Wenn du dich fragst, ob die Welt wirklich noch eine:n weiter:en Meditationslehrer:in?
Dann ist die Antwort — JA! Diese jahrtausende alten Schriften, von den Veden über die Upanishaden, bis hin zur Bhagavad Gita oder den Yoga Sutren von Patanjali enthalten so viel Wissen und Weisheit, dass in seiner Vielschichtigkeit kaum in einem Leben zu erfassen ist. Die Welt und noch mehr die Menschen, brauchen dich, um diese Weisheiten mit deiner Stimme und deiner Erfahrung weiter zu geben.
Traditioneller Yogaunterricht
Vor mehr als 20 Jahren hatte ich meine erste Yogastunde. Mein Lehrer damals hieß Roland und ist bis heute einer meiner liebsten Yogalehrer, von denen ich das Glück hatte lernen zu dürfen. Innerhalb von zwei 90 minütigen Yogastunden hatte Roland es geschafft, dass ich zu meiner damaligen besten Freundin sagte: “Weißt du was, irgendwann werde ich Yogalehrerin. Und dann wohne ich irgendwo am Strand und unterrichte den Menschen dort Yoga”.
Little did I know.
Am Strand wohne ich zwar noch nicht, aber Yoga lernen tue ich seit dem jeden Tag und unterrichten seit mehr als einer Dekade. Wie die Zeit vergeht, aber darüber sprechen wir beim nächsten Mal.
Mehr als sieben Jahre habe ich von Roland gelernt. Er schaffte es in seinen Unterrichtseinheiten die perfekte Balance zwischen Yoga Asanas, also der physischen Anstrengung, Pranayama, also den Atemübungen und Dyhana, also Meditation zu finden. Jede Stunde war eingebettet in Einblicke aus der yogischen Philosophie.
Die Verantwortung eines Yoga- und Meditationslehrenden
Heutzutage verstehen die meisten von uns unter Yoga nichts weiter als ein physisches Workout.
Jedes OM, jeder Einblick in die Geschichte könnte zu viel sein: “Huch, ich bin doch hier nicht im Religionsunterricht.” — Nein, bist du auch nicht, denn Yoga ist eine Philosophie und keine Religion. Und genau das, hat Roland mit Leichtigkeit in jeder seiner Stunden vermittelt.
Es ist schwer vorstellbar heute, aber wir, also seine Schüler:innen kamen nicht um zu schwitzen, wir kamen um seinen Worten zu lauschen. Seiner Erfahrung und seiner Weisheit, die er über viele Jahre angesammelt hatte.
Roland war kein Guru, keine Sorge. Wir habe nicht willenlos alles geglaubt und getan was er zu uns sagte. Im Gegenteil, Roland war sich seiner Verantwortung als lehrende Person mehr als bewusst.
Er hat uns begleitet auf unserem Yoga-Weg, ohne uns jemals zu sagen, wo wir lang gehen sollen. Er hat unsere Fragen beantwortet, ohne uns zu sagen was wir tun oder lassen sollen, was richtig oder falsch ist. Er hat uns mit den Informationen gefüttert, die für unsere Entwicklung wichtig waren, wenn wir ihn danach gefragt haben. Er hat uns über viele Jahre begleitet, ohne uns jemals zu sagen, er sei der einzig wahre Lehrer.
Im Gegenteil, er hat uns ermutigt zu anderen Yogalehrer:innen, um andere Aspekte und Eindrücke der Praxis zu bekommen. Roland war sich seiner Verantwortung seiner Schüler gegenüber bewußt, jeden einzelnen Tag.
Und auch, wenn ich nach ihm viele weitere Lehrer:innen hatte, ist er bis heute ein Vorbild für mich geblieben. Warum? Weil er mir gezeigt hat, was es heißt mit ganzem Herzen ein:e Lehrer:in zu sein, mit Integrität, Authentizität, Wissen und Herz.
Deine Community ist alles
Mit seiner Art und seinem Verständnis, was es heißt Lehrer:in zu sein, hat er es geschafft sich eine Community von Menschen aufzubauen, die Yoga zu ihrem Lebensmittelpunkt gemacht haben und den Weg des Yoga gehen.
Damit meine ich nicht, dass alle diese Menschen jeden Tag fleißig auf der Matte stehen und ihr Workout machen. Und ich meine auch nicht, dass alle diese Menschen denken erleuchtet zu sein.
Was ich meine ist, dass diese Menschen, sich ihrer Selbst bewusst sind:
Sie haben ein Bewusstsein sein für ihr Verhalten und wie es sich auf andere Menschen in ihrer Umgebung, egal wie groß oder klein dieser Radius ist, auswirkt.
Sie verstehen die Vielschichtigkeit des Lebens und halten sich nicht an vorgegebenen Ideen und Idealen fest, sondern sind immer wieder bereit sich selber, die eigenen Ideen und Verhaltensweisen zu hinterfragen, zum besten Wohle aller.
Auf ihre ganz persönliche Weise, leben sie die Ziele des Yoga und der Meditation, das eigene Leiden zu überwinden und in die Selbstverwirklichung zu kommen.
Und das alles mit MITGEFÜHL, sowohl für sich als auch für ihre Mitmenschen.
Als Yoga- und Meditationslehrer:innen bist du ein Vorbild
Als Yoga- und Meditationslehrer:in bist du ein Vorbild für die anderen.
Dabei ist es egal, ob du drei oder 30.000 Schüler:innen hast. Du hast eine Verantwortung für deine Schüler:innen, denn du begleitest sie auf dem eignen, ganz persönlichen Weg der Selbsterkenntnis und Selbstverwirklichung.
Das heißt nicht, dass du alles “richtig” machen musst. Was heißt auch schon richtig. Es geht nicht um Perfektionismus oder gar zu denken, du weißt mehr als alle anderen und nur deine Ansicht ist richtig — das wäre dein Ego, und zwar sehr laut.
Als Meditationslehrer:in stehst du auf der Bühne, und wenn es “nur” die Bühne des Lebens ist und hältst die Hand, im übertragenden Sinne, von so vielen anderen Menschen.
Dafür musst du in der Lage sein, deine eigene Hand zu halten. Ständige Selbstreflexion und persönliche Weiterentwicklung ist Teil dieses Berufes.
Das schöne daran ist — du machst es nicht allein. Als lehrende Person brauchst du selber Lehrer:innen, mit denen du dich austauschen kannst, von denen du lernen und dich weiterentwickeln kannst. Du brauchst Menschen, um dich herum, die dich accountable halten für das, was du tust und sagst.
Erfahrung und Weisheit sind Teil von Meditation
Denn egal was wir unterrichten oder was wir lernen im Leben, es kommt nicht einfach nur aus uns selber heraus. (Und wenn dir das ein:e Lehrer:in erzählt, ist es an der Zeit weiterzugehen. Nur ein kleiner, ungefragter Ratschlag.)
Ja ich weiß, wir wollen immer alles gleich und sofort und Geduld ist sowieso bei niemandem mehr vorhanden. Aber, um so gut zu werden, wie Sharon Salzberg, Tara Brach oder Jack Kornfield — alle samt die international bekanntesten Meditationslehrer:innen, braucht es Zeit und Erfahrung; und ständigen Austausch mit deiner Community und deinem Netzwerk.
Nur so kannst du Weisheit wirklich spüren und weitergeben. Niemand ist als “Meister:in” vom Himmel gefallen und die einzige Person, die das erwartet bist du selbst.
Die Welt braucht mehr Meditationslehrer:innen
Vielleicht fragst du dich immer noch, ob die Welt wirklich noch mehr Meditationslehrer:innen braucht.
Die Antwort ist immer noch — Ja.
Nach sieben Jahren regelmäßiger Praxis mit Roland, kam der Moment an dem ich das Gefühl hatte weiter ziehen zu wollen. Ich hatte so viel von ihm gelernt, er hatte mir den besten Überblick gegeben, was es heißt den Weg des Yoga zu gehen. Ich hatte ein Verständnis für die Bereiche, die auch Patanjali in seinen Yoga Sutras bespricht. Ich kannte meine Yamas und Niyamas, ich hatte eine solide Asana und Pranayama Praxis, ich hatte begonnen Pratyahara zu üben, also meine Sinner immer wieder aus dem Außen ins Innen zurückzuziehen. Aber meine Einblicke in Dharana, Konzentration und Dyhana, Meditation waren noch nicht sehr tief.
Ich ging zu anderen Lehrer:innen, die unterschiedlichste Formen von Konzentration und Meditation unterrichteten. Nicht alle davon waren Yoga- oder Meditationslehrer:innen im klassischen Sinne, aber auch hier durfte ich wieder viel lernen.
Eine Lehrerin war fest im Kundalini Yoga und Meditation verankert. Ein Lehrer unterrichtete vedische Meditation. Eine Lehrerin hat viel Einblick und Erfahrung in die yogische Anatomie, beschäftigte sich also viel mit Energien und Energiearbeit.
Warum schreibe ich das? Weil ich dir sagen möchte, dass jede dieser Personen unterschiedliche Interessen und damit eine unterschiedliche Ausrichtung hatte. Und das ihre Erfahrungen und Lehren immer dann in mein Leben traten, wenn sie für mich relevant waren.
Du hast deine Geschichte und Stimme
Natürlich hast du als Lehrer:in eine Verantwortung deinen Schüler:innen gegenüber und achtest darauf, dass du den Unterricht für deine Schüler:innen gestaltest und nicht für dich. ABER — du hast eine eigene Geschichte, eine eigene Stimme und eigene ganz persönliche Lebenserfahrungen, die du natürlich in deinen Unterricht und dein dasein als Lehrer:in einfliessen lässt.
Und es gibt Menschen, die genau damit räsonieren werden. Die dich als Lehrer:in brauchen, weil das was und wie du sagst, bei ihnen landet und du als Vorbild ihnen zeigst, wie nachhaltig Meditation ihr Leben verändern kann.
Was glaubst du bei wie vielen Lehrer:innen ich war, die gar keinen Sinn für mich gemacht haben?! Unfassbar viele. Und was glaubst du wie viele davon Sinn für andere Menschen gemacht haben? Unfassbar viele.
Was glaubst du wie viele Menschen, ich selber nur ein einziges Mal in meinem Unterricht hatte, die danach nie wieder gekommen sind? So viele, dass ich nicht mitgezählt habe. Und das ist total ok, denn diese Menschen gehen zu anderen Lehrer:innen mit denen sie räsonieren.
Fazit
Am Ende geht es darum, dass wir so viele Zugänge wie möglich zu Yoga und Meditation schaffen, damit so viele Menschen wie möglich, diesen Weg auf ihre ganz persönliche Art und Weise erkunden können.
Dafür braucht es DICH, damit du Menschen die Tür auf machen kannst, damit du Vorbild für diesen Weg sein kannst und Zugang schaffst für Menschen, die sonst niemals Yoga und Meditation ausprobieren würden.
Es ist egal wie viele Menschen das am Ende sind, denn glaub mir, der schönste Moment wird immer der sein, wenn du deinen Schüler:innen am Ende der Stunde in die Augen schaust und ihr eigenes Licht und Leuchten darin sehen kannst.