Ich habe 90 Tage meditiert und so hat mich diese Erfahrung verändert
Jahrelang war ich “viel zu ungeduldig”, um überhaupt in Meditation zu sitzen. Dann habe ich mein 90 Tage jeden Tag meditieren Experiment gestartet und auf einmal wurde alles ganz leicht.
Seit diesen 90 Tagen habe ich nicht mehr aufgehört zu meditieren. Ich bin viel ruhiger, viel gelassener mit mir selber und mit meiner Umwelt und lasse mich nicht mehr so leicht vom Leben ablenken oder gar aus der Bahn werfen.
In meiner allerersten Yogastunde, vor mehr als 20 Jahren, kam ich das erste Mal mit Meditation in Kontakt. Roland, mein damaliger Lehrer endete jede 90 Minuten Yogaklasse mit einer mindestens fünfminütigen Meditation. Jeden Mittwochabend gab es bei ihm im Studio, nach der Hatha Yoga Stunde noch eine Stunde Meditation, für die er damals nicht mal Geld genommen hat. Jede:r Teilnehmer:in konnte einfach zur Meditation bleiben.
Heute denke ich, dass Roland damals schon bewusst war, wie wichtig Meditation für unser Wohlbefinden ist und wie gut es uns und der Menschheit tun würde, wenn einfach mehr Menschen auf diese Art und Weise mit sich selber in Verbindung gehen würden. Aber ich schweife ab.
Ich hab oft versucht zur Meditation zu bleiben, leider hat es mich mehr in den “wahnsinn” getrieben, als das es sich wirklich “gut” angefühlt hat. Einfach mal still sitzen bleiben — Fehlanzeige, mein Körper hat gezuckt, gejuckt und faxen gemacht. Von meinem Verstand mal ganz zu schweigen. Ich war in diesen Stunden überall, nur nicht bei mir, oder bei der Kerze auf dessen Flamme Roland uns oft blicken lies.
“Wann habe ich endlich Geduld?” eine Frage, die ich Roland wahrscheinlich jede zweite Woche gestellt habe. “Wenn es soweit ist.” war die meiste Zeit darauf seine Antwort.
Irgendwann habe ich zugegebener Maßen aufgegeben zu diesen Meditations-Stunden zu gehen. Der Gedanke an Meditation oder meditieren zu können, heute würde ich sagen es einfach zu tun, hat mich dennoch nicht losgelassen.
Es sollten nur leider ca. 10 Jahre vergehen, bis sich dann ein Zugang auftat, zur Meditation, der auf einmal alles für mich veränderte.
Kundalini Yoga, Meditation und mein 90 Tage Experiment
Zu dieser Zeit hatte ich gerade mein eigenes Studio YOUR SPACE eröffnet. Ein Raum für alle, die sich für Yoga, Meditation, Breathwork, Körperbewusstsein, Rituale und Zeremonien interessierten. YOUR SPACE war ein Spielplatz für Kooperationen, Wissensaustausch, Inspiration und die Möglichkeit ganz intuitiv die Verbindung zur eigenen, inneren Stimme zu stärken.
In diesen Raum trat ein weiterer Lehrer, Che (keine Sorge ich hatte auch weibliche Lehrerinnen). Che unterrichtete Kundalini Yoga & Meditation. Und wenn ich eins mit Sicherheit sagen kann, dann das Kundalini Yoga ganz anders ist, als jegliches Art von Yoga, die ich zuvor gemacht hatte.
Überblick Kundalini Yoga — kleiner Exkurs
Der Kundalini-Yoga ist ein in sich abgeschlossenes, komplexes Hatha-Yoga-System, das gleichermaßen Bewegungsabläufe, Asanas, intensive Atemübungen, Meditationen, Gesang (Mantra, Kirtan), Visualisierungen und Übungen zur Umstimmung schädlicher Mentalkräfte umfasst.
Ganz kurz gesagt, ist das Ziel von Kundalini Yoga, die Kundalini Energie, auch kreative oder Schöpfungsenergie, in und aufsteigen zu lassen, um Erleuchtung zu erfahren. Die yogische (Kundalini-) Praxis ist nur ein Mittel zum Zweck, um durch die Reinigung der Nadis und Chakren den Weg dorthin gut vorzubereiten.
Durch die Art und Weise wie Kundalini Yoga praktiziert wird, wird diese Form des Yoga oft als eine Wissenschaft dargestellt, die uns hilft, das Erreichen diese Zustandes zu beschleunigen.
Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass Kundalini Yoga & Meditation wirklich schnell und effektiv uns mit uns selber vertraut macht und zwar den schönen, wie den nicht so schönen Seiten von uns.
90 Tage Sadhana
Che hatte mich also mit seiner Art und Weise zu unterrichten, den Kundalini Yoga Sets und vor allem den Meditationen schnell überzeugt. Auf einmal hatte ich Lust zu meditieren, denn es war nicht nur stilles sitzen und hoffen das ich nichts denke, im Gegenteil es wurde Mantra gechanted, die Hände in Mudras gebracht, der Atem mit eingebunden, oder oder oder.
Es gab etwas zu tun, alles in Bewegung, im wahrsten Sinne des Wortes und es viel mir leicht etwas zu spüren.
Eine Stunde die Woche reichte mit nicht mehr aus und so empfahl mir Che meine erste Meditation, mit der ich mein erstes 40 Tage Sadhana machte. Keine Sorge aus 40 wurden dann 90 Tage, dazu später mehr.
Sadhana ist in viele yogischen Traditionen ein wichtiger Bestandteil. Es ist die eigene und tägliche spirituelle Praxis, die in jeder Tradition unterschiedlich gefüllt wird.
Mein erstes 40 Tage Sadhana, war nicht ganz traditionell, dafür aber machbar. Eine Meditation, Kirtan Kriya, für 11 Minuten, 40 Tage, jeden Tag. Einen Tag verpasst — dann geht’s wieder bei Tag eins los. (Ich habe keinen Tag verpasst…)
Also gesagt getan!
Tag 1 bis 7 — Ankommen
Die erste Woche stand ganz unter dem Motto ankommen.
An meinem Meditationsplatz, in der Meditation und bei mir selber. Um mir die, wie ich damals noch dachte 40 Tage leicht zu machen, habe ich mir vorab eine simple, kleine Meditationsecke zu Hause eingerichtet, hatte meinen Wecker auf 6.00 Uhr morgens, ja ich bin gerne Frühaufsteherin, gestellt und festgelegt, dass ich die Kirtan Kriya Meditation 11 Minuten mache.
Alle diese Vorgaben haben mir am Anfang geholfen, meine eigene Struktur zu finden und mir meine Meditation so einzurichten, dass sie in meinen Alltag passt und ich gleichzeitig nicht so viel darüber nachdenken muss, wann ich jetzt was und wie mache. Es war alles klar.
Die Meditation an sich, Kirtan Kriya war auch relativ klar. Mantra chanten, Mudra bewegen, Visualisierung halten. Wie die Kirtan Kriya funktioniert, kannst du hier nach lesen. Wie ich schon sagte, die erste Woche hiess erstmal ankommen.
Zum Ende der ersten Woche, kam dann das erste Mal das Gefühl von “ok, jetzt kann ich mich darauf einlassen” auf. Das Mantra saß, das Mudra war klar, der Ablauf auch. Die Meditation konnte mehr und mehr durchlaufen.
Tag 7 bis 21 — Fokus
Danach folgten zwei Wochen in denen fast jeder Tag schöner wurde. Ja, es gab Gedanken die aufkamen, aber sie wurden direkt vom Mantra fortgetragen. Die Zeit verging wie im Flug und alles fühlte sich hauptsächlich leicht an.
Man sagt von Kirtan Kriya, dass sie eine kraftvolle Meditation ist, die uns hilft innere Blockaden zu lösen und Veränderungen zu zu lassen. Und genauso fühlte es sich an.
Bestimmte Themen, die mich damals beschäftigen, insbesondere ein gewissen Unwissen, wie und wohin es weitergehen soll, all das schien mit jedem Tag klarer zu werden.
Ich hatte das Gefühl, dass mein Fokus immer klarer wurde. Ängste, die ich noch zu bestimmten Themen wurden kleiner und verschwanden teilweise sogar ganz. Zum einem weil ich immer besser darin wurde meine Gedanken zu erkennen und zum anderen weil ich mehr und mehr erkannte, dass diese Gedanken zwar ein Teil von mir waren, aber nicht über mich und mein Leben bestimmten.
Tag 22 bis 40 — Euphorie
Die nächsten 20 Tage habe ich die Meditation, das Gefühl danach und auch das Gefühl das gaaaaanz in meinen Alltag überging, einfach nur geliebt und gefeiert.
Ich erkannte uralte Gedankenmuster und konnte sie endlich zur Seite schieben.
Ich fühlte mich frei und so als könnte ich alles erreichen.
Um mich herum bewegte es sich. Neue Möglichkeiten kamen auf mich zu, von denen ich vorher nicht zu träumen gewagt hätte und ich hatte den Mut und das Vertrauen sie zu erkennen und auch auszuprobieren.
Euphorie! — ganz genau.
Das Mantra hat mich den ganzen Tag begleitet und ist wie ein Ohrwurm, kaum mehr aus meinem Kopf verschwunden. Die 11 Minuten fühlten sich teilweise an wie nur eine Minute und ich konnte es kaum abwarten am nächsten Tag wieder zu meditieren.
Zum Ende der 40 Tage erzählte ich Che, meinem Lehrer, wie leicht mir die Meditation fiel und wie viel Freude sie mir brachte. Und so schlug mir Che vor aus den 40 Tagen einfach 90 Tage Sadhana zu machen und die Meditation auf 31 Minuten zu erhöhen.
EASY, klar mache ich das.
(Traditionell ist ein Sadhana im Kundalini Yoga 40, 90, 120 oder 1000 Tage lang…)
Tag 41 bis 55 — Erwachen
Wahrscheinlich war Tag 41 der schlimmste Tag, jemals.
Während der Meditation konnte ich an nichts anderes denken, als jetzt sofort damit aufhören zu müssen. Das Mantra lies ich auf Spotify laufen, es waren also genau 31 Minuten. Es gab keine Chance das ich die Zeit verpassen würde und trotzdem schaute ich gefühlt jede Minute nach, weil ich nicht glauben konnte, dass diese 31 Minuten immer noch nicht vorbei waren. Es fühlte sich an wie 31 Jahre.
Natürlich rief ich Che danach sofort an, weil ich selber kaum glauben konnte, das diese Meditation sich von heute auf morgen so drastisch veränderte. Che’s einziger Hinweis “Super, du machst einfach morgen weiter”.
Ich wusste nicht was mir das helfen sollte, aber es war tatsächlich die Motivation, die ich brauchte, um mich am nächsten Tag wieder hinzusetzten und eine ähnlich anstrengende Erfahrung zu machen.
Die nächsten 13 Tage, waren ein einziges auf und ab. Die Zeit verging wie in Zeitlupe, meine Gedanken waren unglaublich laut, unglaublich ablenkend. Und jeden Tag war ich kurz davor aufzuhören.
Doch dann erinnerte ich mich immer wieder an seine Worte “Super, du machst einfach morgen weiter”. Und genau das tat ich. Ich hatte ein Commitment abgegeben zu mir selber, und das wollte ich halten. Denn, wenn wir ehrlich sind, fühlt es sich besser an, wenn wir unser Wort halten anstatt es zu brechen.
Tag 56 bis 70 — Routine
Ab Tag 56 wurde es langsam wieder ruhiger. Ich hatte mich an die neue länge der Meditation gewöhnt, mein Commitment und meine Disziplin waren weiterhin stark, die 90 Tage zu Ende zu machen und ich merkte, wie sich langsam eine Routine einstellte.
Ich konnte mich jeden Tag hinsetzten ohne diese 31 Minuten groß zu hinterfragen. Es war fast wie Zähneputzen. Der Rest war eigentlich unspektakulär.
Aber so ist das Leben, nicht jeden Tag ein Feuerwerk, manchmal ist es auch einfach nur so wie es ist. Und genauso war es.
Tag 71 bis 81 — Langeweile
Aus der Routine wurde dann Langeweile.
Es gab keine großartigen Veränderungen. Die Euphorie, über das erkennen der Gedankenmuster und das umdenken, war verflogen. Ich hatte zwar immer noch das Gefühl, dass ich über mein Leben entscheiden konnte und nicht länger meine Gedanken, aber es war weniger aufregend.
Dran blieb ich trotzdem an der Meditation, denn so kurz vor den 90 Tagen wollte ich auf keinen Fall aufgeben.
Tag 82 bis 90 — subtile Wahrnehmung
Die letzten acht Tage, haben mich dann noch einmal richtig überrascht. Denn “ganz ohne etwas zu tun”, zumindest kam es mir so vor, bemerkte ich was sich alles in meinem Alltag verändert hatte.
Eine Ruhe hatte sich in mir ausgebreitet, die dazu führte, dass ich in früher stressigen Situationen einfach nicht mehr gestresst war. Ich hatte nicht mehr das Gefühl sofort auf alles reagieren zu müssen, ich konnte einen, manchmal auch zwei, Schritte zurück gehen, mir Situationen erstmal in Ruhe anschauen und mir dann überlegen, wie ich reagieren wollte.
Meine Gedankenmuster erkannte ich mittlerweile viel schneller und so verhedderte ich mich nicht mehr in endlosen Gedankenströmen, die mich sonst tagelang beschäftigt hätten, ich verabschiedete sie direkt und konzentrierte mich auf das wesentliche.
Damit war mein Fokus stärker auf das ausgerichtet, was mir wirklich wichtig war. Ich erkannte mehr und mehr, wie ich als Mensch sein wollte und war auch in der Lage mich mehr und so zu verhalten wie ich sein wollte.
Tatsächlich war es für mich dieses Gefühl von: Ich ruhe in mir, so schnell wirft mich nichts aus der Bahn, dass ich nicht mehr aufgeben wollte. Denn in diesem Gefühl fühlte ich mich wirklich angekommen und frei.
Das nächste Sadhana
Klar habe ich danach erstmal eine Woche Pause gemacht. Danach ging es aber direkt weiter mit der nächsten Meditation und dem nächsten Sadhana und dann dem nächsten und dem nächsten.
Tatsächlich gibt es seit diesen 90 Tagen kaum einen Tag an dem ich nicht meditiert habe. Warum?
Weil jedes neue Sadhana eine neues Experiment zur Selbsterkenntnis für ich ist. Mit jedem Sadhana lerne ich etwas neues, über mich und meine Beziehung zu meiner Umwelt. Und weil ich dieses Gefühl von Klarheit, Ruhe und Vertrauen nicht mehr missen möchte.
Fazit
Zum Abschluss möchte ich noch sagen, ich denke nicht das Meditation der einzige Weg ist, der dir mehr Klarheit, mehr Ruhe, mehr Vertrauen oder wonach auch immer sonst du dich sehnst, ist. Es gibt so viele Menschen und Modalitäten, dass es vermessen wäre zu sagen: “Du musst meditieren, dass ist der einzige Weg”.
Du musst es für dich ausprobieren, in deinem Experiment, mit welcher Modalität auch immer. Und wenn die erste nicht gleich funktioniert, experimentierst du mit noch einer und noch einer und noch einer, so lange bis du das Gefühl hast, dir selber näher zu kommen. Denn darum geht es, dass wir etwas tun, dass uns uns selber näher bringt und uns hilft mehr und mehr der Mensch zu sein, der wir wirklich sein möchten.